mit kind und kegel, wortpaar
Auf Deutsch

Mit Kind und Kegel geht’s drunter und drüber!

September 1, 2020

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Zwillingsformel, Paarformel, Wortpaare

Zwillingsformeln, Paarformeln oder Wortpaare sind normalerweise zwei Wörter, die zusammen auftreten und häufig durch ‘und’ verbunden sind. Bei den Wörtern kann es sich um alle möglichen Wortarten handeln, Nomen, Verben, Präpositionen, Adjektive usw. Diese Wortpaare treten immer in der gleichen Reihenfolge und geschlossen auf, die Wörter können nicht vertauscht werden (also man kann nicht ‘mit Kegel und Kind’ statt ‘mit Kind und Kegel’ sagen) und in einigen Fällen hat eines der Wörter außerhalb der Formel, wenn nicht seine Bedeutung, so doch seinen Gebrauch verloren. Wer verwendet schon das Wort ‘leiben’, wenn nicht in der Phrase “wie er/sie leibt und lebt”?

Antonyme, Synonyme, Identisches

Wir finden in den Paarformeln zwei Begriffe, die entweder a. Gegenteile darstellen, b. die mehr oder weniger das Gleiche bedeuten oder c. identisch sind. Beispiele dafür sind:

a. Katz und Maus, Tag und Nacht, drunter und drüber, gut und böse

b. Hab und Gut, Pech und Schwefel, Kopf und Kragen

c. Hand in Hand, Zug um Zug

Oft wird Gebrauch von Alliteration und Reimen gemacht, wie z.B. bei den folgenden Ausdrücken, die ich etwas genauer erklären werde.

Mit Kind und Kegel

large family in Rome, Bild von denninglove auf Pixabay
Sie sind mit Kind und Kegel nach Rom gereist.
Bild von denninglove auf Pixabay

Wenn man mit Kind und Kegel unterwegs ist, dann bedeutet das, dass alle mit von der Partie sind. Oft wird die Bedeutung auch noch ausgeweitet, so dass nicht nur alle Familienmitglieder, sondern auch Gepäck (oder Sack und Pack) gemeint sind. Das Wort Kegel kennen wir natürlich vom Kegeln oder aus der Geometrie, aber in diesem Fall sind andere Kegel gemeint, nämlich die außerehelichen Kinder.

Ob irgendjemand im deutschsprachigen Raum das Wort Kegel im eigentlichen Sinne verwendet, ist fragwürdig. In Phamphlets and Reprint von 1898 kommt George Hempl zu dem Ergebnis, dass in Süddeutschland Kegel für uneheliches Kind, kleiner Kerl oder Bursche oder grober Kerl gebraucht wird, und in der Schweiz die letzten zwei Bedeutungen dem Wort Kegel zugesprochen werden. Ob das heute noch so ist, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Also, wenn sich unter meinen Leser*innen jemand aus Süddeutschland oder der Schweiz befindet, lasst mich bitte wissen, ob Kegel in den oben genannten Bedeutungen noch in Gebrauch ist.

Außerdem habe ich hier gelesen, dass Kegel regional auch für Eiszapfen und Knüppel oder Stock steht. Leider wird die Region nicht genannt, und so ist nicht klar, wo Kegel mit dieser Wortbedeutung verwendet wird.

Kopf und Kragen

Wenn jemand Kopf und Kragen riskiert, dann riskiert er oder sie alles. Bis in 18. Jahrhundert bedeutete Kragen Hals, und den verlor man, zumindest teilweise, zusammen mit seinem Kopf, wenn man enthauptet wurde. Deswegen sagen wir auch, dass es jemandem an den Kragen geht. Und man kann sich auch um Kopf und Kragen reden, und sollte in dem Fall wahrscheinlich lieber schweigen.

In Hülle und Fülle

Eine Konditorei hat Kuchen und Torten in Hülle und Fülle, also sehr viele Kuchen und Torten. Oft gebraucht man diese Redewendung, wenn man nicht nur sehr viel, sondern fast zu viel von etwas besitzt. Beide Wörter wurden schon früh zusammen benutzt, hatten allerdings eine etwas andere Bedeutung als heute. Hülle war das Wort für Kleidung (verhüllen, einhüllen) und Fülle stand für einen gefüllten Magen bzw. Nahrung. Das heißt, wenn man Hülle und Fülle hatte, hatte man Kleidung und Essen und konnte somit seine Grundbedürfnisse befriedigen.

Hülle und Fülle, Nicolaus Hieronymus Grundling, Das Bildniß eines weisen Königs ..., 1714.

… Wie lange hat man nicht in allen Deutschen Provinzien über den Geld-Mangel geklagt? Aber wo kommet deselbige her? Hat nicht unser Vater-Land alles / was zur Hülle und Fülle gehöret?..”

Aus: Nicolaus Hieronymus Grundling, Das Bildniß eines weisen Königs …, 1714.

Hülle und Fülle, Dr. Martin Luthers Sämmtliche Schriften, Band 22, 1537. Hrsg. von Dr. Joh. Georg Walsch, 1887.

“…Es ist auch ohne Noth, daß es uns alles sollte bleiben, denn wir würden ärger werden denn sie: wir sollen uns genügen lassen, wenn wir Hülle und Fülle haben…”

Aus: Dr. Martin Luthers Sämmtliche Schriften, Band 22, 1537. Hrsg. von Dr. Joh. Georg Walsch, 1887.

In diesen Schriften wurde Hülle und Fülle im ursprünglichen Sinne verwendet. Noch fehlt die Präposition ‘in’, die später dazukommt, als sich die Bedeutung von Kleidung und Nahrung zu ‘im Überfluss vorhanden’ wandelte.

Weit und breit

beach with clear blue water, no people, Image by Walkerssk from Pixabay
Keine Menschenseele weit und breit.
Image by Walkerssk from Pixabay

Ich war am Strand und konnte weit und breit niemanden sehen. Dieser Ausdruck bedarf eigentlich keiner weiteren Erklärung. Aber er ist ein gutes Beispiel für einen Stabreim und Tautologie, bei der ein Ausdruck durch die Wiederholung eines inhaltlich gleichen Wortes verstärkt wird. Andere Bespiele sind: Art und Weise, angst und bange.

Rotz und Wasser heulen

Das Wort Rotz kommt vom althochdeutschen ‘roizan’ – weinen. Seit dem Mittelalter steht Rotz für Nasenschleim. Und wenn man Rotz und Wasser heult, dann weint man so sehr, dass einem nicht nur das Wasser, also die Tränen, aus den Augen laufen, sondern auch der Rotz aus der Nase.

Von welchen Redensarten würdet ihr gern wissen, woher sie kommen und was sie bedeuten?

Verwendete und weitere Quellen / Sources