Auf Deutsch General History

Folklore in Skulpturen – 8 bekannte Sagen- und Märchengestalten

October 15, 2020

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Während wir bei Märchen wissen, dass sie ausgedacht sind, ist es bei Sagen und Legenden anders. Unsere Helden und Heldinnen haben Namen (oft Vor- und Nachname), haben zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einer bestimmten Region gelebt. All diese Details verleiten uns zu der Annahme, dass es sich um wahre Geschichten und Geschehnisse handelt, die vielleicht ein wenig übertrieben und ausgeschmückt wurden.

Beweisen kann man meistens herrlich wenig. Ich habe hier nun einige Gestalten aus Sagen, Legenden und Märchen und ihre Skulpturen zusammengestellt. Störtebeker, Eulenspiegel und Münchhausen basieren mehr oder weniger auf echten Menschen oder werden zumindest so dargestellt. Die Heinzelmännchen und Bremer Stadtmusikanten hingegen sind Märchen oder fantastische Erzählungen mit magischen Elementen (auch wenn sie echte Orte nennen, was in Märchen eigentlich nicht der Fall ist). Fantastisches finden wir auch in der Geschichte der Lorelei und des Rattenfänger von Hameln. Allerdings dienen beide Figuren dazu, historische Ereignisse zu erklären: die große Anzahl von versunkenen Schiffen auf dem Rhein und das Verschwinden vieler Kinder und Jugendlicher. Die Sieben Schwaben ist ein Schwank, der wohl nur zur Unterhaltung und zum Spott diente.

Klaus Störtebeker - Pirat der Nord- und Ostsee

Störtebeker Statue in Hamburg, "Gottes Freund, der Welt Feind" By Palauenc05 - Own work, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=91603101

Um Klaus Störtebeker, den Piraten der Nord- und Ostsee, und den Likedeelern ranken sich zahlreiche Geschichten und Sagen, angefangen mit seinem Namen “Störtebeker”. Er kam zu diesem Namen, nachdem er einen großen Met-Becher (Stiefel) dreimal hintereinander in einigen Zügen leerte, oder einen Vier-Liter-Krug auf einmal leerte. Daraufhin hieß er “Stürz den Becher” – Störtebeker.

Störtebeker arbeitete sich innerhalb des losen Verbundes der Vitalienbrüder schnell zum Hauptmann hoch, er war berühmt für seine Kraft und seinen Wagemut. Zunächst machten er und seine Mannschaft die Ostsee unsicher, bis sie um 1398 von Gotland vertrieben wurden und sich neue Arbeit auf der Nordsee suchten. Sie kaperten, oft für Territorialmächte wie Dänemark, Handelsschiffe. Diese gehörten meistens zur Hanse, weswegen die Vitalienbrüder der Hanse und auch dem Deutschen Orden jahrelang ein Dorn im Auge waren.

Störtebeker und seine Crew arbeiteten nach dem Friedensabkommen von 1395 auf eigene Rechnung und teilten die Beute zu gleichen Teilen unter sich auf, weswegen sie auch “Likedeeler” (Gleichteiler) genannt wurden. Angeblich gaben sie auch den Armen etwas von der Beute.

Nachdem die Likedeeler ihren Arbeitsraum in die Nordsee verlegen mussten, gelang es der Hamburger Hanse, Störtebeker vor Helgoland zu stellen. Ein Verräter hatte sich an Bord geschlichen und das Steuerruder manipuliert, so dass Störtebeker nach vielen Jahren tatsächlich gefangen wurde.

Seine Hinrichtung fand 1401 statt, aber auch diese ist mit einer sagenhaften Geschichte behaftet. Dieser Legende nach sollten diejenigen Piraten vom Tod verschont bleiben, an denen Störtebeker vorbeilaufen konnte, nachdem er enthauptet worden war. Angeblich hat er es tatsächlich geschafft, ohne Kopf an 12 seiner Männer vorbeizugehen. Hingerichtet wurden sie trotzdem.

Nach seinem Tod sollte das Schiff Störtebekers wieder hergerichtet werden. Ein Tagelöhner, beauftragt mit der Auswechslung des Mastes, fand in diesem verstecktes Gold.

Was von diesen Geschichten wahr ist, weiß niemand. Die Vitalienbrüder und Likedeeler haben existiert und in alten Schriften finden sich die Namen Störtebeker und Gödeke Michels, aber das ist praktisch alles.

Das hindert aber niemandem daran, ein Bier mit dem Namen “Störtebeker” zu brauen, Störtebeker-Festspiele zu veranstalten und Filme zu drehen, wie z.B. “12 Meter ohne Kopf”.

Die Sieben Schwaben - gemeinsam gegen einen Hasen

Die Sieben Schwaben, Statue in Berlin-Wilmersdorf (nicht in Schwaben), By Sebastian Rittau - Own work, CC BY 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=36079465

Die Geschichte der Sieben Schwaben geht wahrscheinlich auf Hans Sachs’ Meisterlied Die Neun Schwaben zurück, in dem die Schwaben als Tölpel und Feiglinge dargestellt werden. Historiker vermuten, dass diese Geschichten im Grenzbereich Schwaben-Bayern ihren Urspung haben und dazu dienten, sich über die Schwaben lustig zu machen.

Die Schwaben allerdings haben diese Geschichten für sich angenommen, und so findet man den Namen “Sieben Schwaben” in Karnevalsvereinen und Firmenlogos.

Die Abenteuer der Schwaben wurden wieder und wieder erzählt und tauchen so nicht nur Hans Sachs’ Gedicht auf, sondern auch in Grimms Kinder- und Hausmärchen in der zweiten Auflage von 1819 (basierend auf Kirchhofs Wendeunmuth und Boltes Flugblättern), Ludwig Aurbachers Volksbüchlein ab 1827 und Ludwig Bechsteins Deutschem Märchenbuch von 1845.

Die Schwaben (die im Laufe der Zeit von neun auf sieben reduziert werden und verschiedene Namen tragen) gehen mit einem großen Speer in die Welt hinaus, um Abenteuer zu erleben. Leider lassen sie sich leicht in die Irre führen, und so ergeben sie sich einem nicht vorhandenen Feind, weil sie Insektensummen für Kriegstrommeln halten und ihr Anführer Herr Schulz in der Dunkelheit auf einen liegen gelassenen Rechen tritt und so niedergeschlagen wird.

Aber die bekannteste Geschichte ist die, in der sie ein Ungeheuer bekämpfen wollen, das sich als Hase herausstellt. 

Alle Sieben Schwaben ertrinken armselig in der Mosel. Da sie nicht wussten, wie sie den Fluss am besten überqueren konnten, fragten sie die Leute auf der anderen Seite des Ufers. Diese verstanden die Frage nicht und riefen “Wat?” (Was?) zurück. Die Schwaben glaubten, sie sagten “Watet” und so watete Herr Schulz (der Anführer) in den Fluss, bis er jämmerlich im Wasser und Schlamm versank. Seine Kumpanen folgten ihm, da sie wieder “wat, wat” hörten, was allerdings von den Fröschen stammte und nicht, wie sie meinten, von ihrem Anführer.

Die Schwaben erinnern mich an die Schildbürger, die für ihre Dummheit berühmt waren. Allerdings waren die Menschen in Schilda, zumindest am Anfang der Geschichte, so intelligent und schlau, dass ihr Rat von Königen und Fürsten gesucht wurde. Und so kam es, dass praktisch nur Frauen und Kinder in Schilda wohnten, während die Männer an den Höfen Ratschläge gaben. Es gab nur einen Ausweg: sich dumm stellen. Und das taten sie mit so großem Erfolg, dass sie tatsächlich dümmer und dümmer wurden. Schilda brannte nieder, weil sie versuchten, eine Katze vom Dach zu holen, indem sie das Haus in Brand steckten, und dann das Nachbarhaus, auf dessen Dach die Katze gesprungen war. Das Ende vom Lied war ein abgebranntes Schilda und der Auszug der Schildbürger ins ganze Land. Und manchmal hat man das Gefühl, man begegne Nachfahren dieser Schildbürger.

Till Eulenspiegel - den Schalk im Nacken

Till Eulenspiegel Skulptur in Mölln, Schleswig-Holstein Bild von bernswaelz auf Pixabay

Wer kennt sie nicht, die verrückten Streiche, die Till Eulenspiegel seinen Mitmenschen spielte?

Als Kind habe ich Erich Kästners Nacherzählungen gelesen und vor etwa einem Jahr den Roman Tyll von Daniel Kehlmann, der den Volkshelden aus dem Mittelalter in die Zeit des 30jährigen Krieges versetzt. Die Dinge, die Tyll hier erlebt, sind um einiges dunkler als die Streiche, die wir aus dem Kinderbuch kennen und die gerne erzählt werden.

Der Name Till Eulenspiegel stammt wahrscheinlich vom niederdeutschen Ule und Speegel, welches dann zu Eulenspiegel wurde. Es gibt verschiedene Erklärungsansätze zur Bedeutung des Namen. Zum einen steht bzw. stand die Eule für Weisheit, aber im Mittelalter wurde der Vogel mit dem Teufel in Verbindung gebracht. Till Eulenspiegel war den meisten Menschen, denen er auf seinen Reisen durch Europa begegnete, an Intelligenz und Witz überlegen, vielleicht passt die Eule als Weisheit dann doch.

Oft wird gesagt, dass Till mit seinen Streichen seinen Mitmenschen einen Spiegel vorhielt, aber nicht alle Geschichten haben einen erzieherischen Wert, manchmal ist Eulenspiegel einfach nur gemein oder geradezu bösartig. Oder steht der Spiegel vielleicht für Selbsterkenntnis und ein Mittel, um den Unterschied zwischen den Dingen, wie sie sind und wie sie sein sollten, aufzuzeigen?

Es gibt noch einen weiteren, derberen Erklärungsansatz: ulen im Niederdeutschen bedeutet wischen, und das Wort Spiegel wird auch für Gesäß verwendet, so z.B. in der Jägersprache für das Hinterteil von Rehen. Insofern würde “ulen speegel” “den Hintern wischen” bedeuten oder, wie man im Neudeutschen sagt, “Leck mich am Arsch”. Wenn man davon ausgeht, dass die historien von Till Eulenspiegel erstmals als Volksbuch um 1510, einer Zeit der eher direkten Sprache, veröffentlicht wurden, ist diese “Übersetzung” vielleicht gar nicht so abwegig.

Was auch immer der Name bedeutet, Till Eulenspiegel soll im 14. Jahrhundert gelebt haben und durch die Lande gezogen seien, wobei er seine Mitmenschen zum Narren gehalten hat. Oft hat er Redewendungen wortwörtlich genommen, und so die Leute vor den Kopf gestoßen. Aber meine Lieblingsgeschichten sind immer die, in denen er Menschen etwas total Absurdes verspricht und diese Menschen ihm auf den Leim gehen. So bringt er z. B. einem Esel das Lesen bei, allerdings nur die Buchstaben I und A. Ein anderes Mal kuriert er alle Kranken in einem Krankenhaus, indem er ihnen sagt, dass der letzte, der sich im Krankenhaus befindet, getötet und zu einem Heilmittel für die anderen gemahlen wird. Kein Wunder, dass der Krankenhausleiter sein Spital am nächsten Tag leer vorfindet.

Es gibt viele verschiedene Skulpturen von Till Eulenspiegel, er ist ja viel herumgekommen. Für das Foto habe ich die Statue in Mölln ausgewählt, weil ich selbst dort war. Tills Daumen und Schuhspitze glänzen, weil Menschen sie reiben. Das bringt nämlich Glück!

Der Rattenfänger von Hameln - oder Kinderfänger?

Rattenfänger von Hameln Bild von falco auf Pixabay
Der Rattenfänger von Hameln, Zeichnung Bild von WikiImages auf Pixabay

Die Geschichte vom Rattenfänger von Hameln ist auch im Ausland bekannt. Sogar die Little Golden Book Serie in den USA hat das Buch “The Pied Piper of Hamelin” im Programm.

Es gibt einige verschiedene Versionen, erzählt und geschrieben über die Jahrzehnte, aber der Kern der Geschichte ist der gleiche geblieben.

Die Stadt Hameln in Niedersachsen hatte irgendwann im Mittelalter ein Rattenproblem. Sie engagierten einen Rattenfänger, der mit seinem magischen Flötenspiel die Ratten aus der Stadt lockte. Die Menschen freuten sich, aber weigerten sich, dem Rattenfänger das versprochene Geld zu geben. Daraufhin spielte der Rattenfänger wieder auf seiner Flöte, doch anstatt der Ratten folgten ihm die Kinder aus der Stadt hinaus, und waren nie mehr gesehen. Definitiv nicht das Ende eines Märchens.

Es gibt verschiedene Theorien zu dieser Geschichte, und es finden sich tatsächlich einige historische Quellen, die alle besagen, dass am 26. Juni 1248 130 Kinder die Stadt Hameln verließen und einem bunt gekleideten, Flöte spielenden Mann folgten. Sind die Kinder einem Mann zum Opfer gefallen, der billige Arbeitskräfte für die Uckermark und Pommern suchte? Vielleicht befanden sich die Kinder in einer Art Tanzmanie? Oder hat der Flötenspieler sie auf die Hügel (Koppenbergen) geführt, um dort ein Mittsommerfest zu veranstalten?

Nichts ist sicher, außer dass die Kinder verschwanden und nicht wieder auftauchten. Diese Geschichte gibt es in vielen Abwandlungen und Formen in verschiedenen Kulturen. Die Angst der Erwachsenen, dass ihre Kinder entführt oder von einem bösen Mann weggelockt werden, ist universell. Doch diese Geschichte wird eigentlich dadurch noch schlimmer gemacht, dass die Erwachsenen Schuld an ihrem eigenen Unglück und dem ihrer Kinder sind. Hätten sie ihr Versprechen nicht gebrochen, hätte der Rattenfänger die Kinder nicht entführt.

Die Bremer Stadtmusikanten - zusammen sind wir stark

Die Bremer Stadtmusikanten - Bild von Nicole Pankalla auf Pixabay
Die Bremer Stadtmusikanten Bild von Stephanie Albert auf Pixabay

Die Bremer Stadtmusikanten ist ein Märchen in der Grimm’schen Kinder- und Hausmärchen Sammlung. Sie nahmen die Geschichte das erste Mal 1819 auf. Woher die Erzählung genau stammt, ist unsicher, aber wie bei den anderen Märchen haben die Brüder Grimm sie ein bisschen ausgeschmückt.

Normalerweise werden in Märchen keine Orte genannt. Dass Bremen hier auftaucht, kann mehrere Gründe haben: Bremen war im späteren Mittelalter eine bekannte Hansestadt mit Stadtrechten, was bedeutete, dass Menschen, die vom Land (eventuell aus Leibeigenschaft) flohen und sich ein Jahr und ein Tag in der Stadt aufhielten, ohne von ihrem Herrn gefunden zu werden, freie Bürger wurden. (Zurzeit der Brüder Grimm gab es in einigen Regionen keine Leibeigenschaft mehr.) Zum anderen war Bremen auch ein Sehnsuchtsort, ein Ort, wo man ein Schiff besteigen und fortsegeln konnte. Die Brüder Grimm kannten allerdings auch den Bürgermeister Bremens; vielleicht wählten sie deshalb die Hansestadt.

Das Märchen erzählt die Geschichte von vier alten Tieren, die ihren Besitzern nicht mehr nutzen und deswegen ausrangiert werden sollen. Es beginnt mit dem Esel, der noch nicht sterben will und sich  auf den Weg nach Bremen macht, um dort als Stadtmusikant zu arbeiten. Unterwegs trifft einen alten Hund, eine Katze und einen Hahn, der dem Kochtopf entfliehen will. Sie finden ein Haus im Wald und erschrecken die Räuber, die dort ihr Versteck haben. Dabei steht der Hund auf dem Esel, die Katze auf dem Hund und der Hahn auf der Katze, so wie wir sie in der Skulptur auf dem Foto sehen. Ihr “Gesang” erschreckt die Räuber so sehr, dass sie weglaufen. Und so verbringen die alten Tiere dort ihren Lebensabend.

Die meisten Märchen haben keine sozialkritische Komponente, man könnte hier aber argumentieren, dass die Tiere Vertreter für die unterdrückten Arbeiter sind, die in ihrem Wert nur über den Nutzen für ihren Herrn oder Arbeitgeber definiert werden.

Wie bei der Till Eulenspiegel Bronze-Skulptur kann man auch die Bremer Stadtmusikanten anfassen, damit sie einem Glück bringen. Man sieht auf dem Foto gut, dass die Vorderbeine des Esels blank sind, und genau da sollte man hinfassen. Aber bitte beide Beine umfassen, nicht nur eins.

Die Lorelei - Sirene des Rheins

Lorelei Statue in St. Goarshausen, Rheinland-Pfalz By Markscheider - Own work, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=22488612

“Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so traurig bin? Ein Märchen aus alten Zeiten, das kommt mir nicht aus dem Sinn.”

Wer kennt ihn nicht, den Anfang von Heinrich Heines Gedicht “Die Lore-ley” von 1824? Auch um diese Sagengestalt ranken sich verschiedene Geschichten und diente als die Inspiration für viele Dichter.

Loreley heißt ein Felsen am Rheinufer, dort wo der Fluss ein enge Biegung vornimmt. Starke Strömungen machen diesen 160m engen Abschnitt zu einem sehr gefährlichen. Viele Schiffe sind dort schon gekentert, und wie kann man so viele Unglücke besser erklären, als dass eine singende Frau die Schiffer ablenkte?

Machte man im Mittelalter noch Nymphen und Berggeister für die unberechenbaren Strömungen am Loreley-Felsen verantwortlich, so schuf Clemens Brentano 1801 die Kunstsage um eine Frau, die Lore-Ley, die sich aus Liebeskummer von eben jenem Felsen stürzt. Wie auch Brentano sich der griechischen Mythologie bedient und auf die Geschichte der Nymphe Echo zurückgreift, die aus Liebeskummer zu einem Felsen wird, verwendete auch Heine, nur einige Jahre später, ein griechisches Motiv aus Homers Odyssee.

Seine Lorelei sitzt auf dem Felsen, kämmt ihre Haare, die natürlich blond sind, und singt. Ähnlich der Sirenen die Seefahrer des Mittelmeers mit ihrem verführerischen Singen ins Verderben lockten, zieht Lorelei die Schiffer auf dem Rhein in ihren Bann. Statt an dieser gefährlichen Stelle aufpassen, sind sie abgelenkt und ihre Schiffe zerschellen an den Klippen.

Münchhausen - der Lügenbaron

Baron von Münchhausen Skulptur, Bodenwerder Bild von Hans Hansen auf Pixabay
Hintere Hälfte des Pferdes, Münchhausen Skulptur, Bodenwerder

Bei Münchhausen oder dem Lügenbaron handelt es sich unwiderruflich um eine echte Person: Hieronymus Carl Freiherr von Münchhausen, geboren am 11. Mai 1720 in Bodenwerder. Als 13Jähriger tritt er als Page in den Dienst von Prinz Anton Ulrich und folgt ihm nach St. Petersburg. Er kämpft im russisch-türkischen Krieg, wo eine seiner wildesten Geschichten stattfindet: der Ritt auf der Kanonenkugel.

Münchhausen wollte die Gegenseite ausspionieren und ritt auf einer Kanonenkugel auf die Festung der Türken zu, änderte seine Meinung und stieg auf eine türkische Kanone um und flog zurück.

Auch die Geschichte des halben Pferdes (siehe Fotos) trug sich in diesem Krieg zu. Münchhausen ritt auf seinem Pferd den Feinden hinterher und jagte sie aus der Stadt. Was er erst später bemerkte, war die Tatsache, dass seinem Pferd der hintere Teil durch das fallende Schutzgatter am Stadttor abgetrennt worden war. Zum Glück konnten beide Hälften wieder zusammengeflickt werden.

Während seiner Zeit im Baltikum trifft Münchhausen seine Frau Jacobine und ab 1750 leben sie in Bodenwerder auf dem Gut seines Vaters. Er unterhält Gäste mit seinen verrückten Geschichten, die schließlich von einem Unbekannten aufgeschrieben und 1781 veröffentlicht werden. Rudolf Erich Raspe publiziert 1785 eine zweite Sammlung an Geschichten, in denen Münchhausen mit Namen auftritt. Da das Buch erfolgreich ist, erfindet Raspe weitere Abenteuer, die auf hoher See spielen, und bringt es in England heraus.

Gottfried August Bürger übersetzt die See-Abenteuer ins Deutsche und fügt neue Geschichten hinzu. Münchhausen hat nun endgültig den Ruf eines “Lügenbarons”, fühlt sich verspottet und verhöhnt. Er zieht sich zurück, verbittert und nach dem Tod seiner Frau im Jahr 1790 allein.

Die Ehe, die er 74jährig mit einer sehr viel jüngeren Frau eingeht, endet in einem jahrelangen Scheidungsverfahren und kostet Münchhausen beträchtliche Teile seines Vermögens. Er stirbt, bevor die Scheidung rechtswirksam wird.

Die unteren beiden Fotos zeigen Münchhausen, wie er mit den Enten an der Schnur nach Hause fliegt, und wie er sich und sein Pferd am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht.

münchhausen
Münchhausen - Flugenten-Gespann, Bodenwerder By Joachim Meyer - User: (WT-shared) HaJo at wts wikivoyage - Own work (Original text: selbst erstellt), Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=23398026
Sich und sein Pferd am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen, Münchhausen, Bodenwerder By Joachim Meyer - User: (WT-shared) HaJo at wts wikivoyage - Own work (Original text: selbst erstellt), Public Domain, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=23398021

Die Heinzelmännchen - helfen jetzt anderswo

Heinzelmännchenbrunnen Köln By © Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7689529

Die Heinzelmännchen, nicht zu verwechseln mit den Mainzelmännchen des ZDFs, haben früher in Köln gelebt und die Arbeit für die Menschen erledigt, allerdings immer nur dann, wenn diese schliefen. Die Frau des Schneiders war neugierig und wollte die Heinzelmännchen gerne sehen. Sie streute abends Erbsen auf die Treppe, damit sie vom Sturz der kleinen Helfer erwachen und so einen Blick auf sie erhaschen würde. Leider fanden die Heinzelmännchen die Aktion nicht so gut und verschwanden auf Nimmerwiedersehen. Wo sie abgeblieben sind, weiß niemand, aber da meine Arbeit nicht über Nacht erledigt wird, weiß ich, dass sie nicht in meiner Nähe wohnen.

Auf dem Foto sieht man den Heinzelmännchenbrunnen in Köln, den Heinrich Renard und sein Vater Edmund Renard d. Ä. 1899-1900 erbaut haben. Der Original-Brunnen befindet sich inzwischen im Museum und ist durch einen neuen ersetzt worden, der den Witterungsverhältnisse besser standhalten kann.

Auf dem Foto lässt sich auch gut die Schneiderfrau erkennen, die oben an der Treppe steht, während die Heinzelmännchen die Stufen hinunterpurzeln. Die Reliefs links und rechts der Treppen zeigen die Hausgeister bei ihren diversen Tätigkeiten.

Wo genau diese Geschichte entstanden ist, lässt sich nicht rekonstruieren, aber Kobolde und Hausgeister, die den Menschen helfen, existieren schon lange im Volksglauben und über nationale Grenzen hinweg. Im englischen Sprachraum sind sie als Brownies bekannt, in Norwegen und Dänemark heißen sie Nisse und in Schweden Tomte. Auch der Klabautermann, auf Schiffen zu Hause, fällt in die Kategorie der Kobolde.

Die Brüder Grimm – wie kann es anders sein – nahmen eine ähnliche Geschichte (Des kleinen Volkes Hochzeitsfest auf der Eilenburg (Siebengebirge)) in ihr Buch mit auf, und es wird vermutet, dass dies als Vorlage für Weydens kurze Prosaerzählung von 1826 und Kopichs Gedicht von 1836 diente.

Weyden verwendet den Namen Heinzelmännchen, die zudem nackt waren, und lässt die Geschichte in Köln spielen. August Kopich dichtet dann zehn Jahre später das Gedicht, das die meisten von uns kennen. “Wie war zu Cölln es doch vordem, mit Heinzelmännchen so bequem.”

Wir gehen auch davon aus, dass die Heinzelmännchen die Inspiration für die Gartenzwerge und die Mainzelmännchen waren.

Woher genau der Name Heinzelmännchen stammt, ist ungewiss. Heinzelmännlein war der Name einer Alraune, die als Hausgeist verwendet wurde. Heinz oder Heinzenkunst war aber auch ein im Bergbau üblicher Ausdruck für eine Vorrichtung, mit der Wassereimer nach oben gezogen wurden. Derjenige, der den Heinz bediente, wurde vielleicht Heinzmann genannt.

Woher auch immer der Name kommt, wir wissen heute, dass die Heinzelmännchen unsere Arbeit verrichtende Kobolde oder Hausgeister sind, die nun für immer verschwunden sind, weil wir uns nicht an die (ungeschriebenen) Regeln gehalten haben.

(Weiterführende) Quellen